Wie ist die Lage der Musik-Industrie am Weltfrauentag 2021?
Die Musik-Industrie konzentriert sich auf Männer
Unser Wunsch ist es, einfach als Gleichberechtigte behandelt zu werden. Und dass mehr Frauen einbezogen werden. Dass mehr Frauen sich trauen, den Schritt nach vorne zu wagen. Wir haben eine Musik-Industrie erlebt, die sich auf Männer konzentriert. Und es ist schwer, das zu ändern. Wir wollen, dass Männer Frauen ermutigen zu spielen. Tretet für eine Sekunde zurück und ladet sie zu euren Jam-Sessions ein! Es ist, als hätten Männer Angst, ihre Position zu verlieren. Als wären wir eine Bedrohung? Wir wurden schon mehrmals gefragt: “Habt ihr einen Freund oder so, der euch mit der Tontechnik hilft?”. Uns wurde gesagt, wir sollen vor einem Auftritt nicht trinken, obwohl die Männer so viel trinken konnten, wie sie wollten. Wir hatten auch einmal einen Fotografen, der unsere Gesichter bearbeitet hatte, als wir die Bilder zurückbekamen. Er hatte unsere Falten und Runzeln gelöscht. Männer erwarten von uns, dass wir ignorant sind, uns auf der Bühne gut benehmen, rein singen und gut aussehen. Also bitte, behandelt uns einfach als Gleichberechtigte und lasst uns unser Ding machen!
– Lovisa und Felicia, LILY ARBOR, Folk Pop aus Göteborg
Kein toxischer Wettbewerb
Ich wünschte, es gäbe keinen toxischen Wettbewerb zwischen Künstlerinnen. Dass Booker und Promoter mehr weibliche Festivals oder Residencies unterstützen würden, damit wir uns gegenseitig heilen, lernen und gemeinsam kreieren können.
– EMMY CURL, Modern Jazz aus Kopenhagen
Weil es gute Musik ist
Nun, ich würde gerne sehen, dass Frauen sich gegenseitig ermutigen und nicht aus persönlichem Interesse oder weil wir das Gefühl haben, dass ‘wir’ so besser gehört werden. Ich würde gerne wissen, dass die Leute sich wirklich mit guter Musik connecten, einfach weil es gute Musik ist.
– MEGAN LARA MAE, Synthiepop aus Brighton
Frauen in die Hauptrolle
Mein Wunsch für die Musik-Industrie wäre es, als Künstlerin in der Rolle der eigenen Managerin ernster genommen zu werden. Aber das basiert eher auf dem Status als auf dem Geschlecht. Beim Versenden von Pressepaketen und beim Booking gehen die E-Mails unter meinem Namen raus und unzählige werden komplett ignoriert. Da keine Management-Agentur oder ein Label hinter meinem Namen steht, muss ich die meiste Zeit nachfassen. Ich miete den Van, fahre den größten Teil, trage das Equipment mit und kümmere mich hauptsächlich um die Logistik. Meine Solo-Musik ist mein Baby und ich übernehme die volle Verantwortung dafür, was für Medien, Clubs, Crew und Gastgeber meist eine Überraschung ist. Das wiederum macht die Arbeit oft sehr viel schwieriger.
Ich muss sagen, dass ich in verschiedenen musikalischen Gemeinschaften akzeptiert wurde und nicht viele Probleme mit dem Gefühl hatte, ungerecht behandelt zu werden, weil ich eine Frau bin. Das ist meine Welt, und das Geschlecht spielt dabei keine Rolle. Ich bin eine Künstlerin wie alle anderen auch. Ich bin die einzige Frau in meiner Band und Crew, die zufällig auch die Hauptrolle spielt – alle sind extrem respektvoll und wir arbeiten als solide Einheit.
“The times they are a changin'” und ich denke, dass immer mehr Frauen in die Hauptrolle schlüpfen, so dass es heutzutage gar nicht mehr so ungewöhnlich ist. In Polen sehe ich einen ziemlich hohen Prozentsatz an Frauen, die auf Festivals den Weg ebnen. Bei allem, was politisch in der Welt passiert, sehen wir generell so viel mehr Akzeptanz und Toleranz in vielen Bereichen, wenn wir weiterhin das Schweigen brechen, öffentlich gegen Ungerechtigkeiten kämpfen und in Solidarität mit diesen Bewegungen zusammenstehen. Frauen sind fantastische Anführerinnen, Gitarristinnen, phänomenale Songwriterinnen und sind einfach knallharte Bandmitglieder. Punkt.
– MORIAH WOODS, Dark Folk aus Pulawy
Kunst ist ein kostbares Gut
Ich erinnere mich, dass ich auf einem wirklich großen Festival gespielt habe und der einzige weibliche Act im Line-Up war. Damals dachte ich nicht einmal, dass das seltsam sei… Aber mein Wunsch für die Musik-Industrie gilt nicht nur für Künstlerinnen. Ich habe das Gefühl, dass die Musik-Industrie zu sehr zu einer Industrie geworden ist oder vielleicht schon immer war. Eingängige Refrains, bezahlte Radio-Playlists, zurückgestellte Alben, Lebenskraft-aussaugende Plattenfirmenverträge, Altersdiskriminierung und so weiter… Kunst ist ein kostbares Gut! Meiner Meinung nach gleich neben Wasser. Mein Wunsch ist es, dass wir anfangen, sie wie ein kostbares Gut zu behandeln. Unsere Gesellschaft beschleunigt sich in Richtung Extreme und wie Terence McKenna sagte “…wenn die Künstler*innen den Weg nicht finden, dann kann der Weg nicht gefunden werden.” Die Zukunft ist emo.
– Ilia Darlinh, IOTA PHI, Experimental Pop aus Athen