Dez 08, 2020

2 Stunden alles vergessen – Digitale Parties aus der DJ-Perspektive

 

Seit dem ersten Corona-bedingten Lockdown veranstaltet Linda Broschkowski regelmäßig virtuelle Partys, von Berlin bis Nairobi. Seit über zwanzig Jahren ist sie “Party-DJ”, begann ihre Musikkarriere als eine der ersten weiblichen DJs in den 90s in Berlin und spielte sich durch wilde Madonna-Partys in Hinterhof Clubs, Geburtstage und Hochzeiten bis hin zu Fashion Shows und Filmproduktion Partys bei Tarantino, Detlev Buck oder Charlize Theron. 2020 hat Linda Female Music Force gegründet – Deutschlands erste Agentur für weibliche DJs.

Wir haben sie gefragt: Wie geht digitale Party? 

 

gigmit: Nun ist 2020 wohl eines der schwierigsten Jahre überhaupt für die Event & DJ Branche. Wie kommt ihr klar? 

Linda: Ja, es ist nicht leicht. Wir waren direkt nach Launch gut ausgebucht bis 2021 und dann kamen mit dem Lockdown die Absagen. Wir waren erstmal erschüttert! Aber wir haben gemerkt, dass es weiterhin einen großen Bedarf an “Tanzen” gibt. Also, haben wir digitale Parties mit eine virtuellen Reihe ins Leben gerufen. Jeden zweiten Freitag feiert die Female Music Force Community aus dem eigenen Wohnzimmer gemeinsam auf dem digitalen Dancefloor via ZOOM. Wir organisieren weibliche DJs und auch Gesangsacts aus ganz Deutschland, lernen dabei wunderbare Frauen aus der Musikszene kennen und wir freuen uns sehr über die Kreativität und Freude der Mittänzer*innen von Berlin bis Belgien, Portugal bis Nairobi, Frankreich bis Texas. 

Was treibt euch an? Bringt das auch finanziell was? 

Die Parties sind komplett kostenlos. Denn jede*r sollte Mit-Tanzen können. Tanzen und Singen macht ja bekanntlich glücklich und verbindet! Und das ist auch unsere Hauptmotivation: Freude zu verbreiten, denn diese brauchen wir gerade alle dringend und ich finde, dass es auch unsere Aufgabe als DJs ist, Menschen mit Musik und Feiern glücklich zu machen. 

Wir bekommen auch Spenden. Das ist natürlich nicht vergleichbar mit dem, was wir in “normalen Zeiten” an Umsatz gehabt hätten. Wir müssen also auch alle andere Sachen machen, um uns finanziell über Wasser zu halten. Gut hierbei ist es aber, dass wir eine Community aufbauen und viele unsere Arbeit so kennenlernen können und uns für Parties nach Covid buchen. 

Wie funktionieren digitale Parties genau?

Wer mittanzen will, meldet sich auf unserer Gästeliste mit Namen und e-Mail Adresse an. Da wir alle aus unseren privaten Wohnungen heraus feiern, wollen wir wissen, mit wem wir es zu tun haben. Die Anmeldung ist kostenlos. Die angemeldeten Gäste bekommen dann die Infos zur Party der Woche per Mail mit Link und Passwort für den ZOOM Raum. Auf dem digitalen Dancefloor sehen wir uns dann alle, nicht nur die DJ. 

Viele bereiten sich auf die Party vor, mit Discolichtern, einem witzigen Outfit und dem Lieblingsgetränk. Wichtig ist, dass man sich auch als Gast einen guten Sound macht, den Streaming Rechner an die Boxen oder den Fernseher anschließt oder wenn man alleine feiert, Kopfhörer benutzt. Einige unserer Gäste feiern mit der ganzen Familie. Manche sind allein, aber alle sehen sich, sie tanzen zusammen, prosten sich zu, chatten miteinander. Es fühlt sich fast wie eine private Party an, weil wir unsere Gäste wie Freunde behandeln. 

Und wie machst du das technisch?

Das ist eigentlich recht simpel. Du brauchst einen Zoom Account, ein stabile Internetverbindung, musst dein DJ Mixer mit einem Audio-Interface mit dem Rechner verbinden, der streamt, und eine Kamera anschließen, die dich beim Set zeigt. Ein Mikro ist auch ganz gut. Cool ist, dass Zoom jetzt eine HiFi Einstellung anbietet, d.h. die Sets klingen inzwischen richtig gut am anderen Ende des WLANs. 

Hand aufs Herz: Wie ist das als DJ?

Digitale Party: Linda Broschkowski und Britta Steffenhagen
Linda und Britta Steffenhagen legen bei virtueller Party auf

Es macht mir große Freude. Ein Gast hat mir geschrieben, wie sehr diese Parties der Lichtblick für sie sind. Sie kann dann richtig abschalten und für zwei Stunden alles vergessen. Mit geht es auch so. 

Allerdings musste ich mich an diese Art des Dancefloors erstmal gewöhnen. Nach den ersten Partys im März war ich richtig erschöpft. Wenn ich als DJ real mit der Tanzfläche in Verbindung bin, kann ich diese spüren und spontan interagieren. Bei der digitalen Party muss ich sehr genau auf den Bildschirm schauen und auch auf den Chat achten, denn ich höre die Gäste nicht. Das musste ich üben. Inzwischen habe ich ein Grundgespür entwickelt. Und ich habe mir Moderator*innen, die die Kommunikation mit der Tanzfläche übernehmen, dazu eingeladen. So kann ich mich mehr auf den Mix konzentrieren. Am Anfang hat das einfach mein Freund gemacht. Inzwischen hatte ich auch so illustre Gäste wie die Schauspielerin und Moderatorin Britta Steffenhagen. So bleiben die Partys auch für die Community immer neu und überraschend. 

Besonders cool finde ich, dass wir über Städte und Ländergrenzen hinweg zusammen feiern können. Wir hatten schon Gäste aus ganz Deutschland, Belgien, Frankreich, Portugal (von einem Hausboot!), USA, Kenia, Senegal – das finde ich fantastisch! Auch, dass wir alle Altersgruppen zusammen bringen können. Nach einer gebuchten Party z.B. schrieb mir Max (Name geändert), der seinen 28. Geburtstag feierte:

Meine Oma, sie wäre nie zu meiner real-live Party gekommen. Das wäre zu wild gewesen. So konnte sie den ganzen Abend in ihrer Lautstärke dabei sein. Das war schön!“

Ihr macht digitale Parties dieser Art also auch als gebuchte Events? 

Ja, wir spielen zum Beispiel viele Weihnachtsfeiern. Besonders jetzt, zum Jahresende bietet eine gemeinsame virtuelle Party eine wichtige Verbindung von Home-Office zu Home-Office. Wir haben auch Hochzeitsfeiern gespielt und eine Abschiedsfeier einer Deutschen Familie in Nairobi.

Warum brauchen wir Party so sehr? 

Mit den Partys können wir trotz Social Distancing ein Zusammengehörigkeitsgefühl kreieren. Eine Studie der Stiftung für Zukunftsfragen hat jetzt im November herausgefunden, dass mehr als alles andere die Deutschen den persönlichen Kontakt mit der Familie, den Freunden und Nachbarn vermissen. Das erleben wir auch. Bei einer der virtuellen Partys, war ein Gast immer wieder on und off zu sehen. Das bemerkten die anderen und fragten im Chat, was denn los sei. Irgendwann antwortete sie, dass sie so sehr ihre Freunde vermisst. Sie bekam eine Reihe virtueller Hugs und Aufmunterungen sowie Aufforderungen zum Tanz. Zum Ende hin, war sie sehr viel fröhlicher und sie ist jetzt ein regelmäßiger Gast. 

Unsere digitalen Parties sind anders persönlich, als wenn man sich live trifft. Aber wir versuchen, sie so persönlich wie möglich zu gestalten. Uns ist wichtig, dass es sich anfühlt wie eine private Party. Dafür muss man sich sehen und auch die Namen kennen. Dann kann man kommentieren, chatten, gemeinsam Quatsch machen. Und das scheint zu klappen, wie dieses Feedback zeigt:

„Auch wenn ich die Leute alle nicht kenne, ich habe immer das Gefühl, wir sind gute Bekannte nach der Party, denn wir haben den Moment geteilt.“

Dieses Gefühl schwappt auch in das echte Leben über, dieses Feedback finde ich super dazu:

„Nach der Party war ich super erstaunt, dass ich nur zwei Gläser wegräumen musste!! Ich hatte echt das Gefühl, ihr wart alle in meinem Wohnzimmer. Wahnsinn!

Aber digitale Parties sind nicht für jeden. Man muss sich schon richtig drauf einlassen. Nicht jeder hat dazu Lust oder kann das. Trotzdem: Persönlich und engagiert zu sein, hilft in der digitalisierten Welt. Bei uns geht es um die Gemeinschaft, die Verbundenheit, die wir mit der Musik und durch den Rahmen schenken können. 

Danke dir, Linda!

Über Female Music Force

Logo: Female Music Force macht auch digitale PartyLinda Broschkowski gründete 2020 Deutschlands erste Agentur für weibliche DJs. Female Music Force vermittelt weibliche DJs hinter die Decks von Privat- und Firmenveranstaltungen. „Nur 10% der weltweiten DJ Gigs werden von Frauen gespielt. Das ist vergleichbar mit dem Anteil von Frauen in den Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen. Das kann so nicht bleiben! Also, habe ich FMF gegründet, denn gemeinsam ist Frau sichtbarer und stärker. Unsere Vision ist, dass 50% der Gigs in naher Zukunft von Frauen gespielt werden. Eine Party nach der anderen. Bis wir nur noch Music Force heißen, sagt Linda. 


Trau dich und mach auch mal digitale Parties!
Du kannst Female Music Force hier buchen oder hier einen Gig ausschreiben.