Mrz 30, 2020
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“Niemals maschinell produzieren!” – Becken von Istanbul Mehmet

 

Die türkische Kunst des Beckenschmiedens hat ihre Wurzeln im frühen 17. Jahrhundert. Mehmet Tamdeğer ist im Moment der einzige lebende Beckenhersteller, der mit der Zildijan Familie zusammengearbeitet hat und die Techniken zur handgemachten Beckenfertigung kennt. Er lernte seine Handwerkskunst von Mikhail Zildijan, dem Enkel von Kerope Zildijan, nach dem die berühmte Zildijan K-Serie benannt ist. Entgegen des Trends, Becken maschinell zu fertigen, entschied sich Mehmet Tamdeğer dafür, weiterhin handgemachte Becken in der Türkei herzustellen. Wir haben uns mit dem Instrumentenschmied und Original über die geheime Formel von Istanbul Mehmet Cymbal und den glücklichsten Tag in seinem Leben unterhalten. Dies ist das erste deutschsprachige Interview mit dem Schmied-Genie.

Mehmet Tamdeğer (links) als Lehrling von Mikael Zildjian in der Fabrik von Kerope Zildjian am 14. Juni 1955.
Mehmet Tamdeğer (links) als Lehrling von Mikael Zildjian in der Fabrik von Kerope Zildjian am 14. Juni 1955.

gigmit: Istanbul Mehmet Cymbals werden in alter Tradition hergestellt, “mit dem Glauben an den reichen Charakter handgefertigter Becken und mit Ohren für die heutige Musik”, verspricht die Marke. Wie empfinden Sie die Musikbranche mit ihren digitalen Innovationen und wie hat sich der Anspruch an die Becken über die Jahrzehnte verändert?

Mehmet Tamdeğer: Meiner Meinung nach können Musiker gerne all diese digitalen Neuigkeiten benutzen, aber wenn ich ein Musikinstrument kaufe, muss ich es selber hören und fühlen können. Bei unseren Becken versuchen wir aber natürlich auch immer, uns an moderne Soundvorstellungen anzupassen.

Was macht “Istanbul Mehmet” Becken besonders und wo liegt klanglich der größte Unterschied zwischen handgefertigten und maschinell gefertigten Becken?

Der größte Unterschied ist, dass unsere Becken in jeder einzelnen Phase von Hand bearbeitet werden. Die ganze Produktion läuft immer noch genau nach der alten Tradition, wie ich es selber von K Zildjian gelernt habe. Bei maschinell gefertigten Becken klingt alles künstlich. Ich höre den Unterschied sofort. Ich werde niemals maschinell produzieren! Ich wüsste auch gar nicht, wie man das macht und will es auch nicht wissen. Solche Becken hören sich billig an. Bei handgefertigten Becken ist jedes Becken einzigartig und speziell. Wie ein gemaltes Bild, das von einem Künstler gemacht wurde.

Sie haben zusammen mit Agop Tomurcuk die Marke “Istanbul” gegründet – benannt nach der Stadt, die der Inbegriff für qualitativ hochwertige Becken ist. Wie ist es damals zu der Trennung gekommen? 

Ja das ist richtig. Wir haben damals wirklich wunderbare Becken gemacht, die wir dann sogar an Zildjian nach Amerika verkauft haben. Die Trennung ist dann 1996 durch den Tod von Agop gekommen, danach haben wir die Marke in zwei aufgeteilt.

Was unterscheidet heute die beiden Marken Istanbul Agop und Istanbul Mehmet?

Der Unterschied zwischen den beiden Marken ist, dass ich die geheime Formel immer noch ganz genau so anwende, wie ich es in der Vergangenheit gelernt habe. Ich benutze bei jedem Guss-Vorgang die Mischung B20. Das ist das Wichtigste für mich: Niemals die Mischung verändern, nur beste Kupfer- und Zinkqualität verwenden und Handhämmerung bei allen Becken! Das wissen auch meine drei Söhne. Damit sind sie aufgewachsen und genau so werden sie auch nach mir die Produktion weiterführen.

Istanbul Mehmet Cymbals - Bossa

Jedes handgefertigte Becken hat seinen eigenen Charakter, ist ein einzigartiges Meisterwerk. Erfolgreiche Top-Acts wie Casper, Kraftklub, Eisbrecher, SDP, Feine Sahne uvm. spielen seit vielen Jahren Istanbul Mehmet Cymbals und bringen Ihre Becken in den verschiedenste Genres auf die größten Bühnen und Festivals in Deutschland. Gibt es für Ihre Becken stilistische Grenzen? 

Wir haben mehr als 600 verschiedene Becken für verschiedene Musikstile; Jazz, Pop, Rock usw. Ich habe noch nie einen Drummer in unserer Fabrik gesehen, der nicht genau das Becken gefunden hat, was er oder sie sucht. [lacht] Im “schlimmsten” Fall können wir sogar speziell ein Becken produzieren, das den genauen Vorstellungen eines Musikers entspricht. Solch einen Traum zu erfüllen, macht mich echt glücklich. Denn ich weiß, dass ein Drummer mit seinen Becken wirklich eine Einheit bildet. Es ist, wie wenn man mit jemandem zusammenlebt, es muss einfach passen. Und darauf werde ich immer achten.

Würden Sie uns verraten welche Arbeitsschritte vom Gießen bis zum fertigen Becken den Klang eines Beckens in welcher Art und Weise verändern bzw. beeinflussen?

Glauben Sie mir, jede Phase ist absolut entscheidend. Der erste Schritt ist das richtige Gewicht, dann kommt das Gießen, danach das Abdrehen des Beckens und die Hämmerung per Hand. Alles gehört zusammen und greift wie bei einer Kette ineinander. Am Ende erhält man ein wirklich einzigartiges Becken, denn durch die Handfertigung haben selbst Becken der gleichen Serie und Größe einen leicht unterschiedlichen Ton.

Mehmet Tamdeger und Curt Doernberg
Mehmet Tamdeğer (links) und Curt Doernberg, General Manager bei Musik Wein

In Deutschland ist seit ca. 20 Jahren Musik Wein Ihr exklusiver Vertrieb. So eine lange Partnerschaft ist im Musikinstrumenten Business nicht selbstverständlich.

Das ist für mich wirklich sehr wichtig. So eine lange Zusammenarbeit wünsche ich mir auch mit meinen anderen Vertretungen. Und mit vielen arbeite ich auch schon sehr lange zusammen. Ehrlichkeit und Vertrauen sind dabei immer meine Priorität. Musik Wein und Istanbul Mehmet kommen einfach sehr gut miteinander klar und ich bin sehr froh über Curt Doernberg, denn er versteht unsere Produkte und die Philosophie dahinter, und kann die Becken deshalb optimal im Markt platzieren. Wir sind immer direkt in unserem Umgang miteinander und genau das ist so wichtig. Selbst wenn Fehler passieren, kann man immer daraus lernen. Wenn man lange zusammen ist, kennt man die Geschichte des anderen genau und weiß, wie der andere tickt. Ich hoffe, dass wir noch lange zusammenarbeiten [lacht].

Mit der Tony Williams Tribute Becken Serie haben Sie 2015 einen Meilenstein der Geschichte neu aufleben lassen. Wie kam es zu dieser Idee und wie haben Sie diese preisgekrönten Becken wiederauferstehen lassen können?

Tony Williams nimmt einen großen Platz in meinem Leben ein. 1965, als ich noch für K Zildjian in der Fabrik gearbeitet habe, hat Tony Williams dort schon seine handgefertigten Becken gekauft. Vor einiger Zeit nun kam Colleen, die Frau von Tony auf uns zu. Sie bat mich um absolute Geheimhaltung und hat gefragt, ob es mir möglich wäre, die Tony Becken wieder zu produzieren.

Colleen Williams und Mehmet Tamdeger
Colleen Williams und Mehmet Tamdeğer

Sie sagte, dass sie nur Mehmet Tamdeğer diese Sache anvertrauen würde, weil er derjenige ist, der diesen Traum verwirklichen kann. Ich war total begeistert! Aber zuerst einmal wollte ich mir die originalen Becken ansehen und auch ausprobieren.Deshalb habe ich Colleen Williams dann in San Francisco besucht. Die Becken waren wirklich ziemlich verbraucht, zerbrochen und alt. Aber ich konnte mich gleich an diese Becken erinnern. Ich habe den momentanen Zustand akzeptiert und ihr gesagt, dass ich mein Bestes geben werde, um eine möglichst genaue Nachbildung dieser Becken herzustellen.

Es hat dann ein ganzes Jahr gedauert, bis das Ergebnis für mich akzeptabel war. Frau Williams kam am Ende sogar nach Istanbul in die Fabrik und hat uns grünes Licht gegeben. Endlich waren die Becken wiedergeboren. Als ich dann später genau für diese Becken den Award für die beste Beckenserie bekommen habe, war das der glücklichste Tag meines Lebens. Es war einfach unbeschreiblich. Ich hatte sogar die Gelegenheit, Tony Williams selber kennenzulernen. Er kam 1990 nach Istanbul, besuchte unsere Fabrik und probierte ein paar Becken aus. Gott hab ihn selig!

Auch heute noch sind Sie die letzte Person, die den Herstellungsprozess der Becken überprüft und bestätigt. Wie sieht der Alltag eines Beckenschmieds aus? 

Also ich selber bin immer noch wie an meinem ersten Tag ganz früh bei der Arbeit. Man kann schon früh am Morgen die Hammerschläge in der Fabrik hören. Bei uns sind wirklich qualifizierte Fachleute am Werk. Alles hängt zusammen und ohne gute Teamarbeit hätte ich es sehr schwer, weil auch die Fehlerwahrscheinlichkeit viel größer wäre. Auch die Endkontrolle der Becken führe ich mit Hilfe meiner Söhne und Mitarbeiter durch. Alleine wäre es für mich unmöglich, jedes einzelne Becken zu kontrollieren; aber trotzdem ist es wichtig, dass ich täglich da bin. Denn so behalte ich den Überblick über die gesamte Produktion und kann bei Bedarf eingreifen und Prozesse steuern. Die Werkstatt ist einfach mein Ein und Alles. Ich fühle mich zuhause wenn ich zwischen all den Becken bin, ich habe ja auch seit meiner Kindheit nichts anderes gemacht.

Welche Musik hören Sie privat? 

Ich bin mit Cowboyfilmen und -musik aufgewachsen. Ich rede von den Jahren ab 1955. Und diese Musik liebe ich immer noch [lacht].

Spielen Sie selbst Schlagzeug?

Natürlich habe ich schon viele Male hinter einem Schlagzeug gesessen. Es klingt aber ziemlich amateurhaft.

Welche Schlagzeuger haben Sie über die Jahrzehnte begeistert und inspiriert?

Da gibt es natürlich viele Drummer, die man nennen könnte, aber Art Blakey, Tony Williams, Elvin Jones und von der heutigen Zeit Horacio “el Negro” Hernandez und Rick Latham sind die, die mich persönlich inspirieren. Für mich ist aber jeder Musiker sehr wertvoll.


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