Feb. 25, 2021

“Seit einem Jahr zur Untätigkeit verdammt” – Rettet die Clubs!

 

gigmit ist Medienpartner einer Aktion, die das besondere Zusammengehörigkeitsgefühl von Clubs, Bands und Fans offenbart. ‘Rettet die Clubs’ ist eine solidarische Initiative, die auf die prekäre Situation aufmerksam macht, in der die Livemusik Venues während der Pandemie gefangen sind.

“Alles wird vorübergehen”, sagt die Berliner Rockband ENGST, mit der wir gesprochen haben über den Wert kleiner Venues und – ganz unpunkig – wie gut es uns eigentlich noch geht! 

Rettet die Clubs

Filmkomponist Beckmann hat eine Entscheidung getroffen: “Ich mag nicht länger passiv hinnehmen, dass die Livemusik-Szene aufgrund von ewigen Lockdowns vor sich hin dümpelt!” Der gut vernetzte Musiker will die großartigen Frauen und Männer in den Clubs unterstützen, den Wohnzimmern der Livemusik. “… und schon seit mehr als einem Jahr zur Untätigkeit verdammt sind!” Beckmann schloss sich dazu zusammen mit Alex Molter und startete die Aktion ‘Rettet die Clubs‘.

 

Signierte Gitarren für den guten Zweck

“Wenn’s nach Rock’n’Roll aussehen und cool sein soll, dann mach ich das!“, sagt der Berliner Rock-Art-Künstler Alexander Molter. Darum baut er seit Herbst 2020 rot-schwarze Gitarren-Kunstwerke aus Holz – mit Bandlogos. Die Bands, unter ihnen bekannte Größen wie Rammstein, Seeed oder Die Ärzte, signieren diese und überreichen sie Venues, die die sie unterstützen wollen. Das sind meist Clubs, die für die großen Bands wichtig waren, als sie noch nicht die ganz großen Hallen füllten. Jene kleineren Grassroots Venues haben es in der Pandemie besonders schwer.

Solidarität der Branche

Was die Clubs mit den signierten Gitarren, unter Fans bereits begehrte Kunstobjekte, machen, bleibt ihnen überlassen. Die Hauptsache: es kommt Geld für die unter der Pandemie leidenden Venues zusammen. 100% der Erlöse aus Verlosungen, Versteigerungen oder Spendenaktionen gehen an den Club, den die Band ausgesucht hat. Dieses komplexe Zusammengehörigkeitsgefühl von Clubs, Bands und Fans ist etwas besonderes und zeichnet die Livemusik Branche im Kern aus! Und hier zeigt sich auch, dass es tatsächlich um mehr geht, als um’s Geld – nämlich um die Solidarität in der Szene! Darum ist gigmit Mediempartner von ‘Rettet die Clubs’.


Das Zusammengehörigkeitsgefühl von Clubs, Bands und Fans zeichnet die Livemusik Branche im Kern aus!


Hier wird wird auch nach links und rechts geschaut und geteilt, wenn jemand Hilfe braucht. So hat z.B der Club die Wabe, ausgewählt von der Band Karat, gesagt: “Wir sind kommunal gestützt. Speiches Rock & Blueskneipe braucht das Geld dringender!” Der Empfänger wurde kurzerhand solidarisch umgewidmet.

Auch der Jugendclub die Klinke spendet die Hälfte des Erlöses von 3.030 Euro an den Kältebus Berlin. Wir haben mit Sänger Matze von der Band ENGST, die bei ‘Rettet die Clubs’ dabei ist und ihre Gitarre der Klinke überreichte, gesprochen.

gigmit: Hallo Matze, schöne Aktion! Wie seid ihr dazu gekommen?

Matze Engst: Plötzlich stand die Anfrage im Raum, ob wir Lust haben bei der Aktion “Rettet die Clubs” mit zu machen. Anfangs waren wir auch tatsächlich eher skeptisch, weil man leider auch vermehrt von solchen Aktionen hört, die aber oft nur der Eigenwerbung und Vermarktung von Bands oder Künstlern dient. Aber als wir dann die Gitarre in den Händen gehalten haben, waren wir mega geflashed. Nachdem wir auf der Gitarre unterschrieben haben, haben Alexander Molter und ich uns getroffen. Es war direkt eine richtig gute Chemie! Wir haben sofort gemerkt, dass dieser Typ wirklich etwas machen will und nicht nur redet.

Warum ist es wichtig, Clubs zu unterstützen? Wie sah eure Aktion konkret aus?

Clubs sind nicht nur Orte, an denen man Musik konsumiert. Sie sind auch Treffpunkt für Menschen verschiedenster Herkunft und Gesellschaftsschichten. Sie sind Orte der Begegnung, an denen Leute ihre Liebe zur Musik teilen. Genau das verbindet Menschen miteinander. Ich glaube, den Großteil meiner engen Freunde habe ich irgendwann auf irgendwelchen Konzerten kennen gelernt. Allgemein verbinde ich die schönsten Momente meiner Jugend mit trinkfreudigen Abenden auf irgendwelchen Konzerten. Fallen solche Möglichkeiten der Begegnung weg, gehen auch viele Chancen verloren. Außerdem hoffen wir ja alle drauf, dass die Welt sich Stück für Stück wieder normalisiert und wir als Künstler irgendwann auch wieder Vollgas geben können. Dafür braucht es natürlich auch Clubs.


Jeder einzelne kann seinen Teil dazu beitragen, um die Szene am Leben zu halten.


Wir haben zu der Aktion ‘Rettet die Clubs’ wohl gefühlt den kleinsten Teil beigetragen und möchten uns nicht mit fremden Federn schmücken. Das einzige, was wir aktiv tun konnten, war dass wir unsere Social Media Kanäle aktiv genutzt haben, um die Aktion zu promoten. Auch haben wir mehrere kleine hochwertige Videos zu der Aktion gemacht, da ich selber Videograf bin und diese Ressourcen gerne zur Verfügung stellen wollte. Den Löwenanteil an dieser Aktion haben aber unsere Fans übernommen, die komplett in Eigeninitiative sich organisiert haben und somit ein unglaubliches Ergebnis auf die Beine gestellt haben. Unsere Fans haben ein ganz klares Statement dafür gesetzt, dass jeder einzelne in diesen schweren Zeiten seinen Teil dazu beitragen kann, um die Szene am Leben zu halten.

Was verbindet euch mit der Klinke?

Die Klinke und ihre Mitarbeiter sind Freunde, die mich z.B. schon seit meiner Jugend begleiten. Dieser Laden ist nicht nur ein Jugendkulturzentrum, sondern für viele ein zweites Zuhause. Wir haben unfassbar gute Konzerte in unserer Anfangszeit in dieser Location gespielt. Es ist ein ungeschriebenes Gesetzt, dass – egal wie groß die Band auch wird – wir einmal im Jahr dort zocken. Ich selber bin Sozialarbeiter in einem benachbarten Jugendclub und kann immer wieder nur den Hut vor der unglaublichen Arbeit meiner Kollegen in der Klinke ziehen. In einem Brennpunktbezirk wie Marzahn, ist die Klinke eine Oase für Musiker und Künstler.

Wie wird es weiter gehen?

Unser Optimismus ist bis jetzt ungebrochen und wir zitieren da gern die Toten Hosen: “Alles wird vorübergehen”. Es wird wieder Konzerte geben und auch das “normale Leben” wird zu uns zurück kehren – auch wenn es vielleicht nicht so schnell geht, wie wir es gerne hätten. Man darf am Ende des Tages einfach nicht vergessen, dass es in der aktuellen Situation viele Menschen auf der Welt gibt, denen es gerade wesentlich Beschissener geht als uns. Auch wenn es sehr unpunkig klingt, aber in Deutschland gibt es noch ein Netz und doppelten Boden, das den Großteil der Menschen auffängt. Wir sollten uns ALLE angewöhnen, nicht immer nur nach oben zu schauen und zu fragen, wem es gerade besser geht. Wir sollten so reflektiert sein, um zu erkennen, wie gut es uns eigentlich noch geht!

Danke, Matze!

Rettet die Clubs – Band ENGST
Fotocredit: Melanie Werner – Film & Photography

ENGST, die Band, die in keine Schublade passt, sondern der ganze Schrank ist, haben im November 2020 ihr neues Album ‘Schöne neue Welt’ veröffentlicht und wollen im Mai 2021 wieder touren.


Mehr Informationen zur Aktion “Rettet die Clubs” hier und hier.
Sehen, welche Clubs aktuell aktiv sind und z.B. Streaming Gigs anbieten: HIER.