Jul 20, 2022

Aktuelle Trends im Musikmarketing vom OMR Festival

Fabian Schuetze, Gründer der Unternehmen Low Budget High Spirit und Golden Ticket, besuchte ein OMR-Festival. Fabian erzählte gigmit von aktuellen Trends im Musikmarketing und teilte seine Erfahrungen mit dem Event.

Zu Besuch auf dem OMR Festival

OMR Festival

Puh. Ich war gerade zwei Tage in Hamburg auf dem OMR Festival, der größten Marketing-Konferenz around mit ca. 60’000 Besucher*innen. Ich werde auf jeden Fall zukünftig auf dem Reeperbahnfestival nie mehr den Satz «Is aber voll» in den Mund nehmen, weil ich nun weiss, was «voll» wirklich ist. Und ich kenne jetzt auf jeden Fall auch die Grenze, an der Marketing komplett uncool wird. Und obwohl reichlich Matsch im Kopf ob der tausend Eindrücke, Keynotes, Masterclasses, der schieren Lautstärke und wenig Tageslicht, schreibe ich hier einen kleinen Report auf dem Weg zurück im Zug.

TikTok

«Gerade am Anfang halte ich es für wichtig, dass man die erste Zeit nicht nur ein Video am Tag macht, sondern eher drei. Einfach, um den Algorithmus zu trainieren», nennt die berühmte TikTok-Influencerin ihren besten Ratschlag an alle TikTok-Anfänger*innen. Auf die Frage, wie lange sie ungefähr für die Herstellung eines TikTok-Videos braucht, antwortet sie mit: «Ich rechne immer eine Stunde Planung und Vorbereitung, eine Stunde Dreh, eine Stunde Post-Produktion.»

Ich lass das mal so stehen und überlasse euch die Entscheidung, ob dieser Ratschlag mit dem, was ihr vom Leben wollt, vereinbar ist. Als nächstes höre ich mir an, wie Hugo Boss mit Hilfe der größten Social-Media-Stars der Welt die erfolgreichste Kampagne ever auf TikTok gemacht hat und lerne viel, zum Beispiel, dass man mal besser die Influencer*innen kauft und sie den Content machen lässt, als sich selbst was auszudenken, dass dann nicht funktioniert. «Sie kennen die Plattform einfach besser als du», sagt der Mann auf der Bühne, vergisst aber, dass wir uns für unsere Budgets nicht Khaby oder eine mit Kardashian als Nachnamen leisten können.

Dazwischen dann Menschen, die es selfmade geschafft haben: Ein junger Bestatter, der auf TikTok seinen Beruf erklärt, eine, die gar nicht sagen kann, was sie da eigentlich macht, aber trotzdem acht Millionen Follower*innen hat, und einmal vegane Rezepte.

Ich lerne: Obwohl so musikaffin, ist die Plattform für die meisten Musiker*Innen nicht nur ein Rätsel, sondern schlicht etwas, dass im normalen Alltag kaum umsetzbar ist. TiKTok erfordert bezüglich Content ein komplett anderes Mindset als alle Plattformen zuvor und auch mehr Einsatz und Ressourcen für die Content Creation.

Ich würde ohne junge Zielgruppe, ohne echte Strategie für originellen TiKTok-Content und ohne zu viel Zeit keinem Menschen raten, auf die Plattform zu gehen. Und selbst dann: Glücksspiel.

Short Vertical Videos

Wahrscheinlich kein Buzzword habe ich in diesen Tagen so oft gehört: «Short Vertical Videos». Auf der OMR lachen die Leute quasi schon, wenn du Fotos in einen Feed postest. It’s all about short vertical videos. Der Dank richtet sich an TikTok, die YouTube zu den Shorts und Insta zu den Reels gezwungen haben. Jetzt drehen wir alle nur noch 9:16-Hochkant-Videos unter einer Minute. Da ist natürlich nicht viel Platz für Tiefe, aber egal, denn: Ohne Short Vertical Videos kommt man heute auch im Marketing und in der Social-Media-Arbeit für Musikprojekte nicht mehr aus. Und das mein ich ernst. Die, die eine langfristige inhaltliche Strategie haben, welche wirklich guten Inhalte sie in diesen Videos und Formaten ausspielen können, werden weit vorn im Rennen sein.

Hacking the Feed

In Zeiten extrem kurzer Online-Aufmersamkeitsspannen, extremer Sättigung, was Social Ads angeht, und dadurch auch enorm gestiegenen Marketing-Preisen, denkt man jetzt viel drüber nach, wie man das umgehen kann. Paradebeispiele sind grad Offline-Marketing Aktionen, die so eine Sharing-Power haben, dass man sich darüber organisch in die Feeds der Leute hackt. Das ergibt durchaus Sinn. Aus diesen Gründen kauft sich Netflix teure Hauswände und lässt sie aufwendig besprühen, mit dem Hintergedanken, dass das dann viele Menschen teilen. Oder Trivago kauft sich für einen Millionenbetrag auf dem Trainings(!)-Trikot von Chelsea London ein, weil allein die Social-Media-Impressions der Spieler und des Vereins bereits ein Vielfaches wert sind.

Nichts Neues, aber durch die zunehmende Durchdringung von QR-Codes und dem Fakt, dass Offline-Marketing von den meisten links liegen gelassen wird, lässt sich mit viel Kreativität einiges reissen. Die Rechnung: Am Ende bezahlt man weniger pro Impression als mit klassischen Social Ads und hat noch die Offline-Reichweite und das Storytelling obendrauf.

Docu- & Edutainment

Wer es schafft, in Short Vertical Videos (oder meinetwegen noch «normal quer» auf YouTube) was Spannendes, Kluges oder Interessantes über die eigentliche Musik hinaus zu vermitteln, der hat ggf. Grip, um in Insta Reels, YouTube Shorts und vor allem auf TikTok was zu reissen. Und ich meine hier explizit nicht, wie der neue Song oder das Album entstanden sind, sondern etwas, das die Leute wirklich interessiert. Siehe oben: Der Bestatter, der die Leute in seinen Arbeitsalltag reinholt und so Drive auf TikTok bekommen hat. Hier wird das Problem der meisten Musiker*Innen sein, dass sie weder gut über sich und ihre Arbeit sprechen können, noch einen echten Plan von irgendwas anderem haben.

In Summe

Um mal zu sehen, wie die große Marketing-Welt tickt, für einige wirklich spannende Masterclasses und den ein oder anderen sehr cleveren Wortbeitrag hat sich das OMR Festival durchaus gelohnt. Klar: Viel zu viele Menschen, deren oberste Priorität der nächste Lead oder die nächste Conversion ist, das Level an Kommerzialisierung lässt sich kaum toppen und so viel Buzzword-Bingo-Bullshit habe ich noch nie auf einem Haufen erlebt. Wer das Review nochmal in Form von lustigen Foto-Posts sehen möchte, folgt Low Budget High Spirit auf Insta.

 

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Artikel von Fabian Schuetze.